تعلم الالمانية/قصص: حياة شاب حربيTeil 1/ Leben eines Kriegers
(von Salem Fares Massaoudi verfasst)
Leben eines Kriegers Teil 1 ( verfasst von Salem Fares Massaoudi)
Widmung
Ich widme den Roman meiner Mutter und meinem Vater, welche den Rücken krumm gemacht haben, um mich und meine Schwester groß zu ziehen.
An einem sehr kalten und regnerischen Winternachmittag saß ich gebeugt an meinem Schreibtisch, sehr erschossen. Ich wollte schlafen, aber ein innerer Drang verbietet es mir, ins Bett zu gehen. Ich bin seit 3 Jahren so. Ich gönne mir Tag und Nacht keine Pause. Ich fasse nur ein einziges Ziel im Auge, und zwar mein Masterstudium im Fach Germanistik zum Abschluss zu bringen und dadurch meinen armen Eltern und meinen warmherzigen drei Schwestern Freude zu bereiten. Die deutsche Sprache hat meinen Herzen so erobert wie keine andere. Ein neues Wort auf Deutsch kennenzulernen, macht mich äußerst zufrieden und überglücklich. Nachdem ich mein Masterstudium absolvieren werde, möchte ich auch promovieren, da mit meinem Masterabschluss sehr schwierig sein würde, eine Stelle zu finden. Der Weg ist also noch sehr lang und steinig. Ich träume auch immer wieder davon, ein Schriftsteller zu werden und Romane auf Deutsch zu schreiben. Fasziniert hat mich Friedrich Schiller mit seinen zu seiner Zeit als revolutionär betrachteten Dramen. Er lehnte sich gegen Tyrannei und Ausbeutung auf und wollte die damaligen Untertaten dazu bewegen, gegen einen der mächtigsten Tyrannen der Zeit – Karl Eugen – Sturm zu laufen und ihre Freiheit zu verteidigen. Zur Revolte, zum Revoltieren rief er auf. Eine Revolution gegen alle absolutistischen Herrscher wollte er bewirken. Schillers Träume blieben aber nur in Papieren. Ich schaute aus dem Fenster den langsam dunkel werdenden Himmel an. Bald werden meine Träume wahr, bald gehen all meine Träume in Erfüllung. Bald ist Ferien, und ich kann nach meiner Heimatstadt zurückkehren. Ich habe seit drei Monaten meine Eltern und meine drei Schwester nicht mehr gesehen. Ich habe sie so sehr vermisst. Sie sind mein ein und alles. Sie bedeuten mir alles. Sie sind das einzige, was mich zum Leben animiert. Ohne sie bin ich verloren. O mein Gott! Ich muss jetzt weiter lernen, ich habe viel Zeit verschwunden. Meine Eltern werden nicht mehr stolz auf mich, wenn ich die Prüfungen nicht mit guten Noten schaffe. Idriss kommt von der Moschee zurück. Idriss ist ein Verwandter von mir. Wir teilen zusammen ein Zimmer mit einem anderen namens Fathi, der aus einem Gegend in der Nähe von meiner Heimatstadt stammt, in einem Privatstudentenwohnheim in einem der gefährlichsten und ärmsten Wohnviertel in Tunesien Al-tadamen. Man sagt, dieses Wohnviertel sei das größte Wohnviertel Afrikas. Bestimmt ist dieser Stadtteil durch Armut, Analphabetismus und Arbeitslosigkeit. Die Menschen in diesem Teil der Hauptstadt Tunis sind gar nicht zufrieden mit der sich immerhin verschlechternden Lage. Sie bringen viel Mut auf, das Regime und die Familie von dem Präsidenten Ben Ali, welche sich ungeheuer viel Geld und Eigentum durch Korruption erschlichen haben, lautstark und scharf anzugreifen. Das macht nicht jeder in der Amtszeit von Ben Ali, da sich Ben Ali eine Polizeistadt entwickelt hat. Agenten sind überall. Deine Mutter, dein Vater, ein bekannter von dir oder auch dein dicker Freund könnte einer sein. Wenn man in die Gesichter der normalen Menschen anschaut, kann man erahnen, dass sich etwas Großartiges nähert, was das Schicksal eines verarmten, seiner Freiheit beraubten Volkes zum Besten verändern könnte. Etwas Großartiges beflügelt seine Stimmung im Land. Nach einer Weile auf dem Bett liegend hat mir Idriss wütend gesagt: „Man, man! langweilst du dich nicht? Ich bin gegen 8 Uhr aufgestanden und ich habe dich lernen gesehen. Ich habe gebetet und gefrühstückt und du bist noch am Lernen gewesen. Ich bin einkaufen gegangen und du bist noch beim Lernen gewesen. Ich bin ins Café gegangen. Ich habe mir ein Fußballspiel angeschaut und du bist immer noch beim Lernen gewesen.“ Ich habe ihn angelächelt und ihm nichts gesagt. „Komm! Wir wollen jetzt was kochen, da ich Hunger habe“, sagte er. Wir sind in die Küche untergegangen, die wir mit allen anderen Bewohnern des Studentenwohnheimes teilten. Wir haben unser Geschirr mitgenommen: einen gerüsteten Topf, einen krummen Löffel. Wir wollten – wie üblich – Nuddeln kochen, da Nudeln das billigste sind, was man in Tunesien kochen könnte. In dieser dreckigen, dunklen Küche stehen uns sehr alte Herde zur Verfügung. In dieser Küche und während des Kochens trifft man sich mit anderen Studenten, die andere Studiengänge studieren und andere politische, soziale und religiöse Einstellungen vertreten könnten als du. Wir diskutieren über verschiedene Themen und tauschen unsere Ideen und Träume aus. Manchmal greifen wir heiße politische Themen auf, als einmal ein Student uns geflüstert hat: „Seid vorsichtig, ich habe schon mal gehört, dass ein Agent hier mit uns als Student wohnt.“ Das hat uns nicht eingeschüchtert. Niemand war zufrieden. Das Maß der Unterdrückung, der Ungerechtigkeit war nicht mehr zu ertragen. In diesem Studentenwohnheim, welches in einem abgelegenen Ort liegt, habe ich unglaublich viele frustrierten Studenten, Jugendliche, Dreißigjährige, Vierzigjährige kennengelernt, die fast ihr ganzes Leben unter Büchern verbracht haben, die sehr fleißig gelernt haben und trotzdem keine Arbeitsstelle gefunden haben. Sie büßten ihren Fleiß mit Arbeitslosigkeit. Ein sehr gemeines Leben! Ihre Eltern haben alles geopfert, damit sie studieren können und dann ihnen dabei helfen, der Armut und einer unwürdigen Situation zu entkommen. Sie schämten sich jetzt davor, nach ihren Heimatstädten zurückzukehren, weil sie das Gefühl haben, als hätten sie ihre Eltern enttäuscht. Die Eltern erwarten nichts von ihren Kindern, die Eltern wollen nur ihre Kinder glücklich sehen. Das sagt mir meine Mutter immer. Nach Paar Tagen habe ich meine Sachen in meine abgenutzte Tasche eingepackt und habe mich auf den Weg zu meiner Heimatstadt gemacht. Die tägliche Reise mit dem Bus ist für mich eine Tortur. Der kommt nie rechtzeitig, der ist immer voll. Trotz all dieser Schwierigkeiten und trotz all dieses Leidens und trotz der scheinenden Aussichtslosigkeit gibt mir das verfolgte Ziel einen Puls, wenn ich mich entmutigt, kraftlos und lebensmüde fühle. Wenn ich etwas kaufen wollte, kaufe ich das aus Gewissensgrund nicht. Mein Gewissen quält mich ständig sagend: Deine Mutter arbeitet für dich und du verschwendest das Geld. Das ist gemein von dir. Öfters und aus Gewissensgrund bevorzuge ich meinen Willen und Begierden zu unterdrücken. Meine Mutter ist Frisöse und mein Vater ist Müller. Er hat eine Mühle dort, wo wir wohnen, eine durch Armut und Elend bestimmten Stadt. In dieser Mühle habe ich gelernt, ein durch nichts zu erschütternder Mann zu sein. Ich habe gelernt, Leiden auszuharren. Ich habe gelernt, höflich und zuvorkommend zu sein. Ich habe gelernt, Ältere zu respektieren. Ich habe gelernt, anderen zu helfen, ohne irgendwas von denen zu erwarten. Ich habe gelernt, mein Lächeln nie zu verlieren. Unterwegs riefen mich immer meine Eltern, um mich zu fragen, wie es mir geht und ob es alles in Ordnung verlaufen ist und was ich heute essen wollte. Sie wissen meine Antwort bezüglich des Essens, da sie wissen, dass ich „Couscous“ über alles mag. Die Zeit vergeht langsam, vielleicht wegen der unangenehmen Lage im Bus! Die Reisenden reden sehr laut, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Die Reise nimmt mehr als 5 Stunden in Anspruch. Im Bus habe ich viel Zeit verbracht, da ich ständig verreise und ich habe viele Geschichten erlebt und unglaublich viele Menschen kennengelernt, die mir viel von ihrem Leben und Leiden erzählt haben. Sie reden und erzählen dir alles, sie trauen sich aber kaum, über Politik was zu erzählen. Sie sind von Angst befasst. Zu Hause angekommen hat meine Mutter mich mit weinenden Augen empfangen, mich umarmet und in ihre Busen heftig gedrückt. Die von meiner Mutter vor Freude vergossenen Tränen sagen mir viel. Diese Tränen sind Liebe, Zärtlichkeit, Angst und unterdrückte Leiden miteinander vermischt. Dann kommt mein Vater, er begrüßt mich kaltblutig und küsst mich – wie gewöhnt – zwei Male auf die Wange und fragt mich, wie meine Reise war. Er hat mich so sehr vermisst, ich weiß das. Es aber fällt ihm sehr schwer, seine Gefühle zu zeigen. Bei uns sind Weinen und Empfindlichkeit keine männlichen Eigenschaften. Ein Mann bedeutet bei uns „Krieger zu sein!“ Mir knurrt der Magen vor Hunger, da ich fast den ganzen Tag nichts zu mir genommen habe. Auf dem Tisch steht der „Couscous“, welchen ich seit Langem nicht gegessen habe und welchen meine Mutter für mich gekocht hat. Ich habe meinen fadenscheinigen Koffer in eine Ecke geschmissen und ich habe fast alles verschluckt, das Essen war sehr köstlich. Wenige Minuten später hat meiner Großmutter Bescheid gewusst, dass ich schon zuhause bin. Sie ist gekommen. Sie hat sich auf mich sehr gefreut. Am nächsten Tag kommen meine Onkel, meine Tanten uns zu Besuch, um mich zu sehen. Meine Gefühle schwingen, wenn ich nach Hause zurückkomme, zwischen Freude und Niedergeschlagenheit, da die Zeit, die ich zuhause verbringen werde, sehr knapp ist. Das Wetter ist sehr kalt und windig. Mein Mutter sagt zu meinem Vater: „geh zum Hamam und füll das Kanoun mit angezündeten Kohle aus!“ Er kommt nach einigen Minuten mit dem Kanoun voll mit angezündeten Kohlen. Wir sammeln uns um den Kanoun, um uns zu wärmen, bis in die Späte Nacht. Am nächsten Tag kommt mein Onkel ins Haus herein, schlug die Tür hinter sich zu und teilte uns mit, dass sich ein Gemüsehandler das Leben durch Verbrennung genommen hat, da eine Beamtin ihn geohrfeigt hat, was ihn äußerst traurig macht und ihn zum Selbstmord treibt. Er hat uns auch mitgeteilt, dass viele Leute in Sidi Bouzid auf die Straße gegangen sind, um ihre Rechte auf Würde und Freiheit zu fordern. Ich habe sofort den Fernseher eingeschaltet und die tunesischen Fernsehsender kurz angeschaut. Keine tunesischen Sender hat über den Vorfall berichtet. Ich habe auch das, was vorgefallen ist, nicht ernst genommen, da ich ganz gut weiß, dass es dem Regime gelingen wird, diese Unruhen niederzuschlagen. Ich bin ausgegangen, um mit den Leuten über den Vorfall zu reden. Ich habe meine Freunde, die ich seit langer Zeit nicht gesehen habe, gesehen. Alle reden über Politik. Sie haben einfach mehr Mut bekommen, das Regime zu kritisieren. Viele junge Leute sind bereit, sich gegen das Regime aufzubegehren. Die Lage spitzt sich im Provinz Sidi Bouzid nach und nach zu und die Welle der Demonstrationen breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Die Polizisten haben schonungslos Feuer gegen Demonstranten eröffnet. Ich habe das Feld meines Großvaters besucht. Seitdem mein Großvater nicht mehr da ist, er ist vor zwei Jahren gestorben, sind die Olivenbäume welk und die Erde trocken geworden, vielleicht, weil sie auch traurig und betrübt sind, meinen ausgesprochen tüchtigen und gutgläubigen Großvater für immer verloren zu haben. Im großelterlichen Feld vor der starken und heißen Sonne in den Schatten eines Olivenbaums geschützt sind mir meine Kindheit in Erinnerung gerufen. Hier in diesem kleinen Feld war ich als Kind mit meinem Onkel spazieren, er hatte so gemacht, als ob er gestorben wäre. Er wollte mich erschrecken. Ich habe ihn mehrmals gerufen, er aber hat nicht reagiert. Ich habe mich dann aus dem Staub gemacht. Als er mich weglaufen gesehen hat, hat er mir gesagt; Komm! Sei mannhaft! Lass dich nie wieder einschüchtern! Diese Farce kann ich nie aus meinem Gedächtnis herausreißen: Mein Onkel hat dem Kellner, als wir schon mal in einem Restaurant was bestellt und gegessen haben, gesagt, dass ich derjenige, der bezahlen wird. Er verschwand dann für eine Weile. Der Kellner ist auf mich zugekommen und hat mich gebeten, das Bestellte zu bezahlen. Ich habe zaghaft erwidert, dass mein Onkel, der gleich zurückkommen soll, bezahlen wird und dass ich kein Geld habe. Dein Onkel hat doch gesagt, dass du bezahlen sollst!!, entgegnete der Kellner. Ich rufe jetzt die Polizei, wenn du nicht jetzt bezahlst, schrie er sehr wütend. Das versetzte mich in Panik. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte und wie ich aus der Situation herauskommen soll. Ich zitterte vor Angst. Mein Onkel taucht auf einmal lächelnd auf und sagte mir: Was ist denn los mit dir! Du siehst äußerst erschrocken aus. Er hat mir 20 Dinars gegeben und mir gesagt: Geh! Bezahl das, was wir gegessen haben. Als ich das gehört habe, habe ich erleichtert aufgeatmet. Schnell habe ich die Rechnung bezahlt und danach meinen Onkel umarmt und habe mich in ihre Arme geschmiegt. In diesem Feld habe ich fleißig meinem Onkel dabei geholfen, Kürbis anzupflanzen und dann zu ernten. Als Belohnung für meine Hilfe hat er mir mein Onkel einen großen Kürbis gegeben und ich habe den Kürbis mit einer Schubkarre zum Markt geholt und verkauft. Hier in diesem Feld komme ich jedes Jahr, um Aprikosen zu pflücken. Heute sieht das Feld wie ausgestorben und trocken aus. Der Brunnen im Feld meines verstorbenen Großvaters ist dürr. Von diesem Brunnen haben sich viele Menschen, die kein Wasser in ihren Häusern haben, begossen. Wo sind die Vögel, die normalerweise hier jährlich einnisten!! Der Tod meines Großvaters bedeutet auch den Tod dieses Feldes. Zu Hause guckt mein Vater spannend die Nachrichten. Als ich das Zimmer eingetreten bin, hat mich unterrichtet, dass ein weiterer Demonstrant in Sidi Bouzid zum Opfer gefallen ist, was mich zutiefst niedergeschlagen gemacht hat. Mein Hass gegenüber dem Regime von Ben Ali wird immer größer.
Wann fährst du zurück, fragte mich mein Vater.
Morgen, habe ich mit einer elegischen Stimme erwidert.
Meine Mutter bekocht mich und packt für mich v
iel Essen sagend ein: Iss gut! Koch nur mit Olivenöl! Wenn du Geld brauchst, ruf mich an!
Widmung
Ich widme den Roman meiner Mutter und meinem Vater, welche den Rücken krumm gemacht haben, um mich und meine Schwester groß zu ziehen.
An einem sehr kalten und regnerischen Winternachmittag saß ich gebeugt an meinem Schreibtisch, sehr erschossen. Ich wollte schlafen, aber ein innerer Drang verbietet es mir, ins Bett zu gehen. Ich bin seit 3 Jahren so. Ich gönne mir Tag und Nacht keine Pause. Ich fasse nur ein einziges Ziel im Auge, und zwar mein Masterstudium im Fach Germanistik zum Abschluss zu bringen und dadurch meinen armen Eltern und meinen warmherzigen drei Schwestern Freude zu bereiten. Die deutsche Sprache hat meinen Herzen so erobert wie keine andere. Ein neues Wort auf Deutsch kennenzulernen, macht mich äußerst zufrieden und überglücklich. Nachdem ich mein Masterstudium absolvieren werde, möchte ich auch promovieren, da mit meinem Masterabschluss sehr schwierig sein würde, eine Stelle zu finden. Der Weg ist also noch sehr lang und steinig. Ich träume auch immer wieder davon, ein Schriftsteller zu werden und Romane auf Deutsch zu schreiben. Fasziniert hat mich Friedrich Schiller mit seinen zu seiner Zeit als revolutionär betrachteten Dramen. Er lehnte sich gegen Tyrannei und Ausbeutung auf und wollte die damaligen Untertaten dazu bewegen, gegen einen der mächtigsten Tyrannen der Zeit – Karl Eugen – Sturm zu laufen und ihre Freiheit zu verteidigen. Zur Revolte, zum Revoltieren rief er auf. Eine Revolution gegen alle absolutistischen Herrscher wollte er bewirken. Schillers Träume blieben aber nur in Papieren. Ich schaute aus dem Fenster den langsam dunkel werdenden Himmel an. Bald werden meine Träume wahr, bald gehen all meine Träume in Erfüllung. Bald ist Ferien, und ich kann nach meiner Heimatstadt zurückkehren. Ich habe seit drei Monaten meine Eltern und meine drei Schwester nicht mehr gesehen. Ich habe sie so sehr vermisst. Sie sind mein ein und alles. Sie bedeuten mir alles. Sie sind das einzige, was mich zum Leben animiert. Ohne sie bin ich verloren. O mein Gott! Ich muss jetzt weiter lernen, ich habe viel Zeit verschwunden. Meine Eltern werden nicht mehr stolz auf mich, wenn ich die Prüfungen nicht mit guten Noten schaffe. Idriss kommt von der Moschee zurück. Idriss ist ein Verwandter von mir. Wir teilen zusammen ein Zimmer mit einem anderen namens Fathi, der aus einem Gegend in der Nähe von meiner Heimatstadt stammt, in einem Privatstudentenwohnheim in einem der gefährlichsten und ärmsten Wohnviertel in Tunesien Al-tadamen. Man sagt, dieses Wohnviertel sei das größte Wohnviertel Afrikas. Bestimmt ist dieser Stadtteil durch Armut, Analphabetismus und Arbeitslosigkeit. Die Menschen in diesem Teil der Hauptstadt Tunis sind gar nicht zufrieden mit der sich immerhin verschlechternden Lage. Sie bringen viel Mut auf, das Regime und die Familie von dem Präsidenten Ben Ali, welche sich ungeheuer viel Geld und Eigentum durch Korruption erschlichen haben, lautstark und scharf anzugreifen. Das macht nicht jeder in der Amtszeit von Ben Ali, da sich Ben Ali eine Polizeistadt entwickelt hat. Agenten sind überall. Deine Mutter, dein Vater, ein bekannter von dir oder auch dein dicker Freund könnte einer sein. Wenn man in die Gesichter der normalen Menschen anschaut, kann man erahnen, dass sich etwas Großartiges nähert, was das Schicksal eines verarmten, seiner Freiheit beraubten Volkes zum Besten verändern könnte. Etwas Großartiges beflügelt seine Stimmung im Land. Nach einer Weile auf dem Bett liegend hat mir Idriss wütend gesagt: „Man, man! langweilst du dich nicht? Ich bin gegen 8 Uhr aufgestanden und ich habe dich lernen gesehen. Ich habe gebetet und gefrühstückt und du bist noch am Lernen gewesen. Ich bin einkaufen gegangen und du bist noch beim Lernen gewesen. Ich bin ins Café gegangen. Ich habe mir ein Fußballspiel angeschaut und du bist immer noch beim Lernen gewesen.“ Ich habe ihn angelächelt und ihm nichts gesagt. „Komm! Wir wollen jetzt was kochen, da ich Hunger habe“, sagte er. Wir sind in die Küche untergegangen, die wir mit allen anderen Bewohnern des Studentenwohnheimes teilten. Wir haben unser Geschirr mitgenommen: einen gerüsteten Topf, einen krummen Löffel. Wir wollten – wie üblich – Nuddeln kochen, da Nudeln das billigste sind, was man in Tunesien kochen könnte. In dieser dreckigen, dunklen Küche stehen uns sehr alte Herde zur Verfügung. In dieser Küche und während des Kochens trifft man sich mit anderen Studenten, die andere Studiengänge studieren und andere politische, soziale und religiöse Einstellungen vertreten könnten als du. Wir diskutieren über verschiedene Themen und tauschen unsere Ideen und Träume aus. Manchmal greifen wir heiße politische Themen auf, als einmal ein Student uns geflüstert hat: „Seid vorsichtig, ich habe schon mal gehört, dass ein Agent hier mit uns als Student wohnt.“ Das hat uns nicht eingeschüchtert. Niemand war zufrieden. Das Maß der Unterdrückung, der Ungerechtigkeit war nicht mehr zu ertragen. In diesem Studentenwohnheim, welches in einem abgelegenen Ort liegt, habe ich unglaublich viele frustrierten Studenten, Jugendliche, Dreißigjährige, Vierzigjährige kennengelernt, die fast ihr ganzes Leben unter Büchern verbracht haben, die sehr fleißig gelernt haben und trotzdem keine Arbeitsstelle gefunden haben. Sie büßten ihren Fleiß mit Arbeitslosigkeit. Ein sehr gemeines Leben! Ihre Eltern haben alles geopfert, damit sie studieren können und dann ihnen dabei helfen, der Armut und einer unwürdigen Situation zu entkommen. Sie schämten sich jetzt davor, nach ihren Heimatstädten zurückzukehren, weil sie das Gefühl haben, als hätten sie ihre Eltern enttäuscht. Die Eltern erwarten nichts von ihren Kindern, die Eltern wollen nur ihre Kinder glücklich sehen. Das sagt mir meine Mutter immer. Nach Paar Tagen habe ich meine Sachen in meine abgenutzte Tasche eingepackt und habe mich auf den Weg zu meiner Heimatstadt gemacht. Die tägliche Reise mit dem Bus ist für mich eine Tortur. Der kommt nie rechtzeitig, der ist immer voll. Trotz all dieser Schwierigkeiten und trotz all dieses Leidens und trotz der scheinenden Aussichtslosigkeit gibt mir das verfolgte Ziel einen Puls, wenn ich mich entmutigt, kraftlos und lebensmüde fühle. Wenn ich etwas kaufen wollte, kaufe ich das aus Gewissensgrund nicht. Mein Gewissen quält mich ständig sagend: Deine Mutter arbeitet für dich und du verschwendest das Geld. Das ist gemein von dir. Öfters und aus Gewissensgrund bevorzuge ich meinen Willen und Begierden zu unterdrücken. Meine Mutter ist Frisöse und mein Vater ist Müller. Er hat eine Mühle dort, wo wir wohnen, eine durch Armut und Elend bestimmten Stadt. In dieser Mühle habe ich gelernt, ein durch nichts zu erschütternder Mann zu sein. Ich habe gelernt, Leiden auszuharren. Ich habe gelernt, höflich und zuvorkommend zu sein. Ich habe gelernt, Ältere zu respektieren. Ich habe gelernt, anderen zu helfen, ohne irgendwas von denen zu erwarten. Ich habe gelernt, mein Lächeln nie zu verlieren. Unterwegs riefen mich immer meine Eltern, um mich zu fragen, wie es mir geht und ob es alles in Ordnung verlaufen ist und was ich heute essen wollte. Sie wissen meine Antwort bezüglich des Essens, da sie wissen, dass ich „Couscous“ über alles mag. Die Zeit vergeht langsam, vielleicht wegen der unangenehmen Lage im Bus! Die Reisenden reden sehr laut, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Die Reise nimmt mehr als 5 Stunden in Anspruch. Im Bus habe ich viel Zeit verbracht, da ich ständig verreise und ich habe viele Geschichten erlebt und unglaublich viele Menschen kennengelernt, die mir viel von ihrem Leben und Leiden erzählt haben. Sie reden und erzählen dir alles, sie trauen sich aber kaum, über Politik was zu erzählen. Sie sind von Angst befasst. Zu Hause angekommen hat meine Mutter mich mit weinenden Augen empfangen, mich umarmet und in ihre Busen heftig gedrückt. Die von meiner Mutter vor Freude vergossenen Tränen sagen mir viel. Diese Tränen sind Liebe, Zärtlichkeit, Angst und unterdrückte Leiden miteinander vermischt. Dann kommt mein Vater, er begrüßt mich kaltblutig und küsst mich – wie gewöhnt – zwei Male auf die Wange und fragt mich, wie meine Reise war. Er hat mich so sehr vermisst, ich weiß das. Es aber fällt ihm sehr schwer, seine Gefühle zu zeigen. Bei uns sind Weinen und Empfindlichkeit keine männlichen Eigenschaften. Ein Mann bedeutet bei uns „Krieger zu sein!“ Mir knurrt der Magen vor Hunger, da ich fast den ganzen Tag nichts zu mir genommen habe. Auf dem Tisch steht der „Couscous“, welchen ich seit Langem nicht gegessen habe und welchen meine Mutter für mich gekocht hat. Ich habe meinen fadenscheinigen Koffer in eine Ecke geschmissen und ich habe fast alles verschluckt, das Essen war sehr köstlich. Wenige Minuten später hat meiner Großmutter Bescheid gewusst, dass ich schon zuhause bin. Sie ist gekommen. Sie hat sich auf mich sehr gefreut. Am nächsten Tag kommen meine Onkel, meine Tanten uns zu Besuch, um mich zu sehen. Meine Gefühle schwingen, wenn ich nach Hause zurückkomme, zwischen Freude und Niedergeschlagenheit, da die Zeit, die ich zuhause verbringen werde, sehr knapp ist. Das Wetter ist sehr kalt und windig. Mein Mutter sagt zu meinem Vater: „geh zum Hamam und füll das Kanoun mit angezündeten Kohle aus!“ Er kommt nach einigen Minuten mit dem Kanoun voll mit angezündeten Kohlen. Wir sammeln uns um den Kanoun, um uns zu wärmen, bis in die Späte Nacht. Am nächsten Tag kommt mein Onkel ins Haus herein, schlug die Tür hinter sich zu und teilte uns mit, dass sich ein Gemüsehandler das Leben durch Verbrennung genommen hat, da eine Beamtin ihn geohrfeigt hat, was ihn äußerst traurig macht und ihn zum Selbstmord treibt. Er hat uns auch mitgeteilt, dass viele Leute in Sidi Bouzid auf die Straße gegangen sind, um ihre Rechte auf Würde und Freiheit zu fordern. Ich habe sofort den Fernseher eingeschaltet und die tunesischen Fernsehsender kurz angeschaut. Keine tunesischen Sender hat über den Vorfall berichtet. Ich habe auch das, was vorgefallen ist, nicht ernst genommen, da ich ganz gut weiß, dass es dem Regime gelingen wird, diese Unruhen niederzuschlagen. Ich bin ausgegangen, um mit den Leuten über den Vorfall zu reden. Ich habe meine Freunde, die ich seit langer Zeit nicht gesehen habe, gesehen. Alle reden über Politik. Sie haben einfach mehr Mut bekommen, das Regime zu kritisieren. Viele junge Leute sind bereit, sich gegen das Regime aufzubegehren. Die Lage spitzt sich im Provinz Sidi Bouzid nach und nach zu und die Welle der Demonstrationen breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Die Polizisten haben schonungslos Feuer gegen Demonstranten eröffnet. Ich habe das Feld meines Großvaters besucht. Seitdem mein Großvater nicht mehr da ist, er ist vor zwei Jahren gestorben, sind die Olivenbäume welk und die Erde trocken geworden, vielleicht, weil sie auch traurig und betrübt sind, meinen ausgesprochen tüchtigen und gutgläubigen Großvater für immer verloren zu haben. Im großelterlichen Feld vor der starken und heißen Sonne in den Schatten eines Olivenbaums geschützt sind mir meine Kindheit in Erinnerung gerufen. Hier in diesem kleinen Feld war ich als Kind mit meinem Onkel spazieren, er hatte so gemacht, als ob er gestorben wäre. Er wollte mich erschrecken. Ich habe ihn mehrmals gerufen, er aber hat nicht reagiert. Ich habe mich dann aus dem Staub gemacht. Als er mich weglaufen gesehen hat, hat er mir gesagt; Komm! Sei mannhaft! Lass dich nie wieder einschüchtern! Diese Farce kann ich nie aus meinem Gedächtnis herausreißen: Mein Onkel hat dem Kellner, als wir schon mal in einem Restaurant was bestellt und gegessen haben, gesagt, dass ich derjenige, der bezahlen wird. Er verschwand dann für eine Weile. Der Kellner ist auf mich zugekommen und hat mich gebeten, das Bestellte zu bezahlen. Ich habe zaghaft erwidert, dass mein Onkel, der gleich zurückkommen soll, bezahlen wird und dass ich kein Geld habe. Dein Onkel hat doch gesagt, dass du bezahlen sollst!!, entgegnete der Kellner. Ich rufe jetzt die Polizei, wenn du nicht jetzt bezahlst, schrie er sehr wütend. Das versetzte mich in Panik. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte und wie ich aus der Situation herauskommen soll. Ich zitterte vor Angst. Mein Onkel taucht auf einmal lächelnd auf und sagte mir: Was ist denn los mit dir! Du siehst äußerst erschrocken aus. Er hat mir 20 Dinars gegeben und mir gesagt: Geh! Bezahl das, was wir gegessen haben. Als ich das gehört habe, habe ich erleichtert aufgeatmet. Schnell habe ich die Rechnung bezahlt und danach meinen Onkel umarmt und habe mich in ihre Arme geschmiegt. In diesem Feld habe ich fleißig meinem Onkel dabei geholfen, Kürbis anzupflanzen und dann zu ernten. Als Belohnung für meine Hilfe hat er mir mein Onkel einen großen Kürbis gegeben und ich habe den Kürbis mit einer Schubkarre zum Markt geholt und verkauft. Hier in diesem Feld komme ich jedes Jahr, um Aprikosen zu pflücken. Heute sieht das Feld wie ausgestorben und trocken aus. Der Brunnen im Feld meines verstorbenen Großvaters ist dürr. Von diesem Brunnen haben sich viele Menschen, die kein Wasser in ihren Häusern haben, begossen. Wo sind die Vögel, die normalerweise hier jährlich einnisten!! Der Tod meines Großvaters bedeutet auch den Tod dieses Feldes. Zu Hause guckt mein Vater spannend die Nachrichten. Als ich das Zimmer eingetreten bin, hat mich unterrichtet, dass ein weiterer Demonstrant in Sidi Bouzid zum Opfer gefallen ist, was mich zutiefst niedergeschlagen gemacht hat. Mein Hass gegenüber dem Regime von Ben Ali wird immer größer.
Wann fährst du zurück, fragte mich mein Vater.
Morgen, habe ich mit einer elegischen Stimme erwidert.
Meine Mutter bekocht mich und packt für mich v
iel Essen sagend ein: Iss gut! Koch nur mit Olivenöl! Wenn du Geld brauchst, ruf mich an!
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